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8. 2. 2014

Unser menschlicher Körper hatte noch keine Zeit zu lernen, dass nicht mehr die Knappheitsgesetze der Urzeit unserer Vorgänger gelten. Er konnte sich noch nicht darauf einstellen, dass heute Kohlenhydrate und Fette, aber auch Eiweiß in beliebiger Menge an jedem Ort der reichen Industrienationen zur Verfügung stehen – verführerisch duftend und uns magisch anziehend wie reifes Obst die Wespen.
Insofern ist jeder diesem Zustand ziemlich hilflos ausgeliefert, da der Mensch als Urprogramm eingebaut hatte:
„Wenn es etwas Nahrhaftes zu beißen gibt, dann schlag ordentlich zu, bis nichts mehr hinein geht! Wer weiß, wann es wieder etwas für dich gibt!“
Genau so steuern uns diese heute noch bestens funktionierenden Urprogramme im Lebensalltag direkt in die Fettfalle und in Abhängigkeiten hinein. Daher auch die vielen Fettleibigen und Lebensmittelsüchtigen, die dir und mir allerorten begegnen..

Dies gilt vor allem deshalb, weil die Lebensmittelindustrie – zuerst an maximalen Verkaufszahlen und nicht etwa an der Gesundheit ihrer Kunden interessiert – wissenschaftliche Studien in Auftrag gab und finanzierte. Warum wohl? Man versprach sich auf diese Weise Möglichkeiten zur Steigerung von Absatzzahlen (durch beste Kenntnis unserer menschlichen Urprogramme in Sachen Essverhalten). Gleich mehrere Schlüssel zu einem unersättlichen Hunger des Menschen wurden gefunden (z. B. Industriezucker, Weißmehl, Fett, Salz, Röstaromen, Glutamat) und selbstverständlich seitdem gezielt genutzt.
So klingelt die Kasse bei Landwirten, Verarbeitern und Geschäften und alle Beteiligten sichern sich ihre stets hungrigen, süchtigen Kunden. Wie gut das funktioniert, siehst du nicht nur an deinem eigenen Kampf mit dem Körpergewicht, sondern an der wachsenden Zahl von meist noch sehr jungen Fettleibigen.

Was lässt sich daraus ableiten?
1. Es gab früher nur wenige nahrhafte Mahlzeiten, mitunter seltener als einmal pro Tag.
Daher gilt: Unser Körper ist auf längere Perioden ohne feste Nahrung eingestellt. Diese verwertet ein gesunder Körper optimal. Deshalb benötigst du für sein gutes Funktionieren nur kleine Portionen, wenn du regelmäßig isst.
2. Die Nahrung war in erster Linie naturbelassen und aus Wildwuchs. Sie wurde roh verzehrt. Darauf ist unser Verdauungssystem wesentlich besser eingestellt als auf Kochkost. Also: Wer Unverarbeitetes verzehrt, tut sich selbst etwas Gutes.
3. Fleisch war bis vor relativ kurzer Zeit eher die Ausnahme als die Regel. Es gab allerdings auch die umgekehrte Konstellation in arktischen und Küstengebieten. Dies setzte jedoch erfolgreichen Werkzeugeinsatz voraus, was erst in jüngerer menschlicher Geschichte der Regelfall war. Somit sind wir genetisch weitestgehend als Pflanzenfresser ausgestattet.
4. Der Organismus verarbeitet Lebendiges, d. h. Komplexes, denn es gibt kaum anderes in der Natur. Hoch Verarbeitetes oder gar isolierte Stoffe gehören nicht in seine genetischen Verwertungsprogramme.

Stellt man den Urprogrammen unseres Körpers unsere heutige Angebotswelt von Lebensmitteln gegenüber, dann schlägt einem die Unvereinbarkeit dieser beiden Welten unmittelbar entgegen.

Eine hoch entwickelte und bestens organisierte Lebensmittelindustrie von der Landwirtschaft über Verarbeitung bis zur Vermarktung ist keinesfalls daran interessiert, uns nach den alten Regeln zu ernähren. Sie mehrt ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten nur durch Steigerung ihrer Absatzzahlen – und dafür müssen die Menschen nach Möglichkeit unentwegt essen, trinken, naschen, lutschen, schlürfen, nippen, kauen und schlucken. Egal ist es dabei, wenn Unmengen zuviel gekaufter Waren verdorben oder unverdorben auf dem Müll landen, denn verkauft ist verkauft und das ist bereits der ganze Sinn dieser Unternehmung auf der Anbieterseite.

Diesem Lebensmittelzweig ist der ideale Kunde ein Süchtiger, der möglichst oft und möglichst viel zugreift – der das sozusagen mit schlafwandlerischer Sicherheit immer wieder so machen 'muss', ohne wirklich zu wissen warum eigentlich.

Für die persönliche Gegenwehr des an echter Gesundheit Interessierten gibt es darum eine einfache Grundregel, um sich erfolgreich dem Teufelskreis der Lebensmittelsüchte zu entziehen:

Meide jeden 'Konsumtempel', in dem Lebensmittel angeboten werden! Dazu gehören Supermärkte, Bäckereien, Metzgereien, Fastfood-Restaurants, Pizzerien, Gaststätten – das gilt auch weitgehend (leider) für Bioläden (auch online!). Das ist die beste Vorbeugung gegen Lebensmittelsüchte und eine Hauptsäule für echte körperliche (auch seelisch-geistige) Gesundheit!

„Was soll ich denn dann noch überhaupt essen und trinken“, wirst du mich fragen.

Das ist ganz einfach:
1. frisches, sauberes Wasser trinken – jedes verarbeitete industrielle Produkt bringt nur Nachteile.
2. Möglichst viel Rohes aus echten natürlichen Quellen essen.
3. Den restlichen Bedarf aus biologischem Anbau decken, möglichst ohne tierischen Dünger.
4. Wenn schon Tierisches, dann nur aus Wildfang oder Jagd. Das erspart viel tierisches Leid.
5. Für den Notfall: Bei einem hohen Anteil an Kost aus anderen Quellen helfen mineralreiche, getrocknete und zermahlene Multi-Kräutermischungen in Rohkostqualität.

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Weitere Regeln sind nicht notwendig, um eine naturnahe Ernährung zu führen, die unseren genetischen körperlichen Grundlagen entsprechen und damit eine gesunde Kost garantieren, die unser Organismus optimal verwerten kann.
Es ist ganz einfach, sich gesund zu ernähren.
Schwierig ist allenfalls der Entschluss dazu, weil sich unsere inneren, süchtigen Abteilungen ihrer Freiheit und Souveränität beraubt sehen, falls du wirklich 'Ernst' mit wirklich gesunder Nahrung machst. Sie werden sich mit aller Macht sträuben und dir vorgaukeln, du würdest ein mageres, tristes, freudloses Leben in Dauerverzicht und Entbehrung leben müssen, obwohl das Gegenteil der Fall sein wird.
Es lohnt sich, diplomatisch mit diesen widerborstigen eigenen inneren Abteilungen zu verhandeln und notfalls auch Kompromisse zu schließen. Dazu später mehr in diesem Artikel, denn du brauchst mitunter einen langen Atem, um ihnen immer wieder etwas abzuringen. Nur wenn du in einer Hoch-Phase bist, werden sie dir fast wie von selbst folgen – und dann, wenn du dich in einer günstigen Gesamtrichtung mit deiner Energiekonzentration stabilisiert hast.
Gewalt gegen sich selbst ist ebenso abzulehnen wie Gewalt gegen alles andere in dieser Welt. Du kommst nur vorwärts, wenn du dich auch innerlich einigst und deine 'Abteilungen' mitziehen.
Arbeit wird es dir auch bereiten, deine essbaren Altbestände auszumisten und zu verschenken. Das gilt ebenso für das Herausfinden neuer Einkaufsquellen, die wirklich gut sind.
Ist dein Denken und Fühlen von Vorfreude auf ein weit weniger körperlich, seelisch und geistig belastetes Leben erfüllt, dann gehst du den ersten Schritt dorthin gerne.

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Dann wird dein Einkaufen ganz einfach und rasch: Alle großen, langen Supermarktgänge kannst du einfach links liegen lassen; in der Obst- und Gemüse-Frischabteilung (maximal noch Tiefkühlung) findest du alles, was wirklich interessant für dich ist. Mögen noch Reis oder Hirse bzw. Linsen und Bohnen hinzukommen, falls du ab und zu etwas Gekochtes haben willst.
Bio-Hofläden sind deine erste Wahl; das gilt noch mehr für eigene Wildkräutersammlung oder -frischkauf. Selbst Nüsse sammeln bzw. zur Erntezeit frisch kaufen hat Vorrang vor jedem Laden-Einkauf (auch vor 'bio').
Deine Energie fressenden Küchengeräte haben weitgehend ausgedient – ein Gewinn an Arbeitsersparnis, Ausgabeneinsparung und nicht erfolgten Emissionen.

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Deine Gesprächsthemen werden sich sicher wandeln:
Da geht es dann nicht mehr um Schnäppchen und Sonderangebote. Die ganze Palette der Konsumwelt fällt einfach durchs Rost für dich. Sie wird uninteressant. Metropolen-Kurztrips? Fernreisen? Marken? Krankheiten und Therapien? Alles uninteressant für dich geworden.

Das gilt in gleicher Weise für andere Dinge des eigenen Bedarfs, wenn du dich nicht alleine auf Ernährung beschränken willst:
1. Kleidung wird dann tierfrei, nicht aus konventioneller Landwirtschaft, bio und auch unter ordentlichen Sozialstandards gefertigt, die du auch für dich selbst gelten lassen würdest. Du besitzt nur wenige Stücke, die dir wirklich gefallen, die auch keiner Mode unterliegen. Wozu auch? Das nutzt nur anderen.
2. Möbel und Gebrauchsgegenstände sind dann langlebig und gut reparierbar.
Was nicht mehr gebraucht wird, wird weitergegeben – verkauft, verschenkt, gespendet. Dein nur nach echtem Bedarf ausgerichteter Besitz belastet dich weniger; deine Räume bleiben klar und frei, so dass du besser 'atmen' kannst.
3. Deine Verkehrswege werden ent-motorisiert: Da du körperlich leicht wirst, lebt deine Bewegungsfreude neu auf und du wirst gerne Fußwege und Radfahrten auf dich nehmen. Da dein Immunsystem stark wird, machen dir auch Strecken bei Wind und Wetter nichts mehr aus – im Gegenteil genießt du die duftende, reine Luft dabei.
4. Du lenkst dein Geld in sinnvolle Kanäle und machst auf diese Weise erfolgreich Wirtschaftspolitik: Du änderst die Nachfrage, der die Hersteller und Vertreiber sich anpassen werden müssen, denn der Geldgeber bestimmt, was hergestellt wird – nicht umgekehrt!
5. Da die Großen des Big-Business nicht mehr an dir verdienen, lässt auch die Macht des Geldes nach, das sich in deren Hand konzentriert – Menschen, Schicksale, Staaten, auch Kulturen gegenüber gefühlskalt und ignorant wie auch zerstörerisch.
6. Du gestaltest auf diese Weise automatisch eine Kultur des friedlichen Miteinander, in der das heute übliche Übervorteilen durch wirtschaftlich Stärkere, das Ausplündern, Quälen und Töten keinen Platz finden. Das ist für dich und die gesamte Mitwelt ein großer Gewinn an Lebensqualität!

In diesem Sinne ist mein gewählter Titel mehrdeutig bzw. umfassender als nur auf Nahrung bezogen: Da ändert sich nicht nur dein Geschmackssinn in Bezug auf Nahrung, die dir wirklich gut tut – anstatt deine Süchte zu bedienen, zu befeuern und deinen Organismus zu belasten – sondern auch in Bezug auf das, was du ansonsten an Dingen und Handlungen (auch was andere für dich tun!) für dich als passend und 'richtig' befindest. Deine Kleidung und deine Wohnung werden anders aussehen. Das gilt auch für deine Mitwelt, die du als Fußgänger bzw. als Radfahrer anders wahrnimmst wie ein Autofahrender.

Begrenzung wirst du dann nicht mehr als Verlust von persönlicher Freiheit und Autonomie erleben, weil sie nicht von außen 'aufgedrückt', sondern von innen her selbst gewollt und vorgenommen wird. Das ist etwas ganz anderes – unseren Konsumpäpsten wird das sauer aufstoßen, doch das ist dir gleichgültig, denn du übst bei deinem Wirtschaften keinerlei Gewalt aus. Du lächelst nur milde dazu – ohne jede Schadenfreude.
Auf diese Weise gestaltest du eine friedliche Gemeinwohlökonomie mit, von der unser aktueller Kapitalismus sehr weit entfernt ist. Du wirkst so automatisch gegen die Vormachtstellung des Geldes, die es von der großen Menschenmehrheit in den reichen und 'aufstrebenden' Ländern dieser Welt eingeräumt bekommt – in Verkennung der belastenden und zerstörerischen Rückwirkungen, die es heute auf jeden einzelnen ausübt.


Deine sich wandelnde Lebenskultur führt keineswegs hinein in Verzicht im Sinne von schmerzhaftem Verlust. Du wirst das alles gerne nicht mehr 'benötigen', nutzen und besitzen, was du da aufgibst.
Rein formal betrachtet, kannst du dann vieles nicht mehr, was früher 'o. k.' für dich war. Doch es gilt jetzt als unwürdig für dich – also für dich nicht mehr als gut genug. Das 'Bessere' ist nun einmal des 'Guten' Feind und verdrängt dieses, weil es ihm überlegen ist.
Aus dieser Perspektive betrachtet, ist der Verlust der üblichen Konsumwelt und ihrer allgegenwärtigen Verlockungen bzw. Verführungen in Wirklichkeit ein Gewinn für dich, weil du dich nicht mehr mit all dem wertlosen Tand belasten und befrachten musst. Dem werden nach und nach auch deine 'zickigen', weil süchtigen inneren Programme, die autonom ablaufen, Folge leisten wollen. Sie werden begreifen, dass auch sie durch ein längeres und unbelasteteres Leben profitieren. Dein (früherer) Tod ist nämlich auch ihr Ende.

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(Vorbereitungen zum Bau des ersten eigenen Familienheims in 1981)

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Zum Schmunzeln in der 'Halbzeit':

“Bis auf weitres das Messer blitzt, die Schweine schrein,
Man muss sie halt benutzen,
Denn jeder denkt: Wozu das Schwein,
Wenn wir es nicht verputzen?
Und jeder schmunzelt, jeder nagt
Nach Art der Kannibalen,
Bis man dereinst ‘Pfui Teufel!’ sagt
Zum Schinken aus Westfalen.”
(Wilhelm Busch, deutscher Dichter und Zeichner, 1832 – 1908)

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(Abschied vom eigenen Haus nach 26 Jahren in 2013)

Ich will diesen Beitrag nicht abschließen, ohne ein wenig persönlich zu berichten, wie schwer mir über Jahrzehnte mein persönliches Weiterkommen auf diesem Gebiet fiel:
Nach meiner Ausgangslage als junger Erwachsener befragt, würde ich mich heute als vielfach behindert durch schwere Süchte bezeichnen – als selbst gebunden an Wege, die zu raschem Vergnügen führen, aber langfristig zu nichts Gutem.

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('Verwirrungen' - Musterausschnitt am Portal einer norwegischen Stabkirche)

Dazu gehörten bei mir aus dem Bereich Ernährung und 'Konsum':
sehr üppiges Essen mit hohem Fastfood-Anteil und ansonsten 'gutbürgerlicher Kost',
regelmäßiger Alkoholgenuss,
starkes Rauchen,
Kaffee, Cola,
reichlich salzige Knabbereien und Süßigkeiten,
Kaufsüchte mit langen Einkaufsstreifzügen und Tagträumereien,
Auto als Hobby mit viel Basteln, hoher Kilometerleistung und hohen Kosten,
Finanzverwaltung nach Gutsherrenart: mal sparsam anderen gegenüber, mal großzügig mir selbst gegenüber – und stets mit maximalen Rendite-Erwartungen für Geldanlagen.
Außerdem setzte ich auf unser Gesundheitssystem als Reparaturbetrieb für die Folgen eigener fehlerhafter Lebensführung – ich delegierte also die Beseitigung von Krankheitserscheinungen nach außen hin und überließ das anderen.
Das sind alles keine Dinge, mit denen ich anderen gegenüber hätte schmücken können, es sei denn als Co-Agierender, wo es andere ebenso halten. Dies allerdings ist ja der Hauptmechanismus, über den man sich in diesen Breiten mit seinen unanständigen Handlungsweisen gegenseitig bestätige und stabilisiert – alles scheint dann 'o. k.' so.
Dass dadurch Beziehungen und das gesamte eigene Umfeld mit belastet werden – auch die eigene Gesundheit schwer leidet – ist eigentlich eine Binsenweisheit. Doch wer 'den Kopf in den Sand steckt', sieht eben nicht richtig (hin) und verbockt sich vieles nach innen wie nach außen hin. Als Konsument ist man dagegen hochaktiv und mit seinen Geldausgaben gerne gesehener Gast. Als Mensch wird man dagegen wohl eher weniger geschätzt. Man will es sich höchstens nicht unnötig it ihm verderben.
Ich wurde früh übergewichtig; bei 1,87 Körpergröße hatte ich mit 18 Jahren ein noch schlankes Gewicht von 72 Kilogramm. Doch mit 21 waren es erstmals etwa 95 kg – eine Zunahme von satten 32%! Zwar fiel mir das Abnehmen nach kleineren Zusammenbrüchen immer wieder leicht und ich kam dann auf 75 -80 Kilo zurück, doch grundsätzlich änderte sich nie etwas in Bezug auf meine Genuss-Süchte. Mit 33 Jahren brachte ich es erstmals nahe an 110 kg heran und sah aus wie ein 45-50-jähriger. Ich fühlte mich auch schwer, bedrückt, unbeweglich und konnte mich selbst nicht besonders gut ertragen.

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(33 Jahre alt, 106 kg schwer und mit Zigarette)

Nach vielen Anläufen besiegte ich mit 34 Jahren meine erste große Sucht, das Rauchen: In langen Jahren hatte ich lernen müssen, dass es dazu gehört zu ertragen, wenn auch die eigene Partnerin weiter raucht – sich damit durch Spielregeln zu arrangieren, auf die man sich einigt. Erst wenn man die Süchte der anderen, auch Nahestehender, sich selbst gleichgültig sein lassen kann, dann ist der Weg frei für die Überwindung einer Sucht.
Das gilt übrigens auch für alle Süchte, die noch folgen und folgen werden.

In Sachen Geldverwaltung dauerte es 9 Jahre länger bis zu gesünderen Strukturen, d. h. grundsätzlich gemeinsam kontrollierten Finanzen. Trotzdem gab es noch einige Ausreißer, die jedoch stets zu einer weiteren Stabilisierung der gemeinschaftlichen, einvernehmlichen neuen Haltung führten.

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(mit dem ersten eigenen 'Traumauto' 1974 zu Besuch in Nord-Norwegen)

Das Verhältnis zum Auto wurde erst über einen sehr langen Zeitraum sachlicher, nüchterner und emotionsloser. Das Auto als 'heilige Kuh', bei mir traf das unbedingt zu. Es dauerte bis in ein Alter von 56 Jahren, bis ich mich entschloss, auf dieses im Alltag weitestgehend zu verzichten. Ich stieg um auf das Fahrrad als Hauptverkehrsmittel, ohne jedoch das KFZ ganz abzuschaffen.
Das hatte bei mir nämlich noch eine Zusatzaufgabe: Wenn andere in Kur fahren oder eine Reha-Klinik aufsuchen, dann erledigte ich das in einem kleinen Wohnmobil in völliger Eigenregie. Wenn ich mich in eine abgelegene schöne Landschaft brachte, gelang mir in Abgeschiedenheit in weiten Teilen eine weit konsumschwächere Lebensführung, wenn auch nur für Wochen. Das Auto war also Transportmittel und Kurklinik in einem für mich und das funktionierte ganz gut. Zurück in die Hände des Medizin-Unwesens wollte ich damals nicht mehr.
Auch heute habe ich noch einen VW-Kastenwagen als Wohnmobil für diese Zwecke. Er wird meist zweimal jährlich zu einer selbst geführten Hochgebirgsreise mit Fahrradtouren als Kurhotel genutzt. Mal sehen, wann mir der Absprung gelingt!

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(mein aktuelles 'Hotel auf Rädern' - Basisstation für meine Radtouren und Wanderungen)

Damit bin ich bei einem zentralen Thema, das vielen anderen auch übergeordnet ist. An dieser Stelle will ich nur soviel sagen, als dass ich mit 49 Jahren beschloss, diesen Bereich in die eigene Hand zurückzuführen – dass er nicht delegierbar ist und dass dies eine Fehlhaltung darstellt.
Die Konsequenzen sind vielschichtig: Ich kann einen Arzt nur noch dann aufsuchen, wenn eine Füllung in den Zähnen erneuert werden muss, wenn ich eine große klaffende Wunde habe oder Knochen gebrochen sind. Ansonsten ist Gesundheit alleine meine eigene Sache, in die ich maximal meine Lebensumgebung nach Bedarf mit einspanne, aber eben selbst und nur Gesundheit fördernd.
Auf diese Weise ist auch die Ernährung ein zentraler Baustein. Da zur Gesundheit auch Zufriedenheit und seelische Entspannung gehören, zählen zu diesem Feld auch Dinge wie Geldanlage, Umweltbelastung durch Produktkauf, Heizung und Strom in der Wohnung, Autofahrten, Schuldnerbelastung und Förderung ungünstiger Projekte durch eigene Renditeerwartungen.
Gesundheit wurde so zu einem übergeordneten Feld bei mir – andere sprechen hier gerne von Nachhaltigkeit, sozialer Gerechtigkeit und von Ökologie. Gesund leben konnte ich nur, wenn ich in meinem gesamten Alltagsfeld das 'Innen' wie auch das 'Außen' miteinander vereinbarte.

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(kältetolerant nahe 0 Grad in Sandalen bei früher Morgensonne im Herbst 2013)

Mit 50, 58 und 62 Jahren machte ich ernsthafte Schritte aus der Alkoholnutzung heraus. Es kommt nicht darauf an, keinen Tropfen mehr anzurühren. Entscheidender ist es, davon für sich nichts mehr zu erwarten. Doch wenn man schon nichts mehr davon erwartet, dann kann man es eben auch ganz sein lassen. Mein Streben hat genau in diese Richtung hin zu bleiben; fest eingefahrene, automatisierte Muster, die dem entgegen stehen, kann ich nur durch liebevolle Ignoranz links liegen lassen.
Ich genieße ohne Alkohol die Freiheit der eigenen Wahrnehmungswelt, eine größere Klarheit und Offenheit für mich wie auch für andere. Die Dumpfheit des wohlig Eingelullten vermisse ich nicht wirklich, auch wenn ich sie mir in Phasen großer Belastung gegönnt habe. Doch für meinen Alltag gilt dieses Muster nicht mehr; darin habe ich es überwunden – muss jedoch wachsam bleiben. Was 45 Jahre lang intensiv war und tiefe Spuren hinterließ, darf ich nicht mehr übersehen.

Mit 56 Jahren stieg ich in die Versorgung mit echtem Ökostrom ein (nicht auf Kosten anderer über die Ökostromförderung) und in die ethische Geldanlage. Auch wurde das Haus elektrisch überarbeitet durch Ausschalten von Standby-Geräten wie auch durch Umstellung der Beleuchtung auf LED. Das Spülen von Hand ersetzt seitdem wieder die Spülmaschine und das Wäschewaschen wurde seltener. Der Trockner blieb fast ganz aus.
Zur Gas-Zentralheizung gesellte sich ein Holz-Kaminofen, der im Winter seit 7 Jahren knapp die Hälfte der Heizenergie mit heimischem, lokalen Holz erzeugt – mit dem persönlichen Aufwand von 20-30 Minuten täglich an etwa 100 Tagen im Jahr – mit dem Lohn einer bulligen, angenehmen Strahlungswärme, die fast überall zu spüren ist. Billiger ist es dadurch nicht geworden, aber schöner und sympathischer für jeden, der unsere Räume betritt. Nebenbei ist die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen stark gesunken; bei Ausfall aller Lieferungen müssten wir im Winter dennoch nicht frieren. Ein echter Gewinn!

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(aktuelles Bild des Verfassers)

Bleibt als letztes der hier genannten Suchtfelder der des Essens und Trinkens:
Dass ganz gewöhnliche Lebensmittel echte Suchtmittel sein können, habe ich instinktiv immer schon gespürt; ich hatte mir das aber bis vor 14 Jahren nicht wirklich eingestanden und konsequent daran gearbeitet. Es gab halt das 'Reparieren' entstandener Schäden und dann weiter so wie bisher im Großen und Ganzen. Daran änderte auch der Umstieg auf Biokost nicht entscheidend etwas. Doch mit ihm bewegte sich endgültig etwas in eine entscheidend andere Richtung:
Zunächst ließ damit der Fleischkonsum schlagartig nach – kostet doch Biofleisch im Bioladen (nicht im Supermarkt!) gut das Doppelte bis Dreifache des sonst üblichen Marktpreises. Bei etwa gleichen Ausgaben dafür wurde es augenblicklich nur etwa noch ein Drittel des bislang Üblichen. Ich stieg mehr auf Milchprodukte um, so dass die tierische Nährstoffmenge gegenüber früher in etwa gleich blieb.
Mit Bio verbesserte sich so mancher Frischgeschmack bei Obst und Gemüse; infolgedessen aß ich beides lieber und mehr als früher.
Ich entdeckte die Welt der Nüsse in diesem Bereich aufs Neue für mich. War das Suchtproblem bei ihnen in erster Linie im Salzen und Rösten begründet – weiterhin darin, dass man sich die Früchte ja nur Hände-weise in den Mund zu schieben brauchte – so fand ich hier eine einfache Lösung: Ich kaufte Nüsse nur noch in der Schale, so dass Rösten und Salzen automatisch entfielen und ich den natürlichen Geschmack genießen konnte. Und jede einzelne Frucht wollte der Schale abgerungen werden, was dem tatsächlichen natürlichen Wert dieser nahrhaften Teile auch entsprach. Das kostet Zeit und Kraft; automatisch gab es kein Überessen mehr mit Schalenfrüchten.
Als mein Biohof 2009 dicht machte, entfiel meine bisherige Fleischquelle. Ein anderer Biohof gefiel mir mit seinem angeschlossenen Laden atmosphärisch nicht so ganz, obwohl sauber geführt und gepflegt. Nach einem halben Jahr wechselte ich zu meinem bis heute genutzten Biohof eines Gemüsebauern, wo eine offene und fröhliche Grundstimmung vorherrscht. Das Ladenlokal ist eher klein, aber urig und auch mit einem Holzofen befeuert. Dort werden nicht nur die üblichen, sondern auch eher unbekannte Sorten angebaut und ich bekam viel kennenzulernen.
Dorthin nahm ich meine bisherigen Gewohnheiten mit, doch das Neue brachte eine so große Vielfalt mit sich, dass es mir im vergangenen Sommerbeginn leicht fiel, einen veganen Selbstversuch für ein halbes Jahr zu beginnen – ohne jede Vorbereitung und Vororganisation. Ich übernahm aus meinem Bisherigen nur meine Vorliebe für Brot (ich esse etwa 4 Pfund pro Woche) – ansonsten noch die für Nüsse und frisches Obst. Nur fast neu war das Selbermachen von Pestos als Brotbelag statt Butter sowie das Belegen mit frischem Gemüse. Pestos hatte ich schon auf meinen Wohnmobiltouren in fertiger Form genutzt; ebenso gilt das für den Brotbelag auf Reisen. Obst war dort auch immer mit dabei, ebenso die Nüsse. Von unterwegs übernahm ich nun auch das Trinken frischen Wassers aus der Leitung – Hochgebirgswasser hat mir immer schon sehr gut geschmeckt. Doch jetzt wurde es zum Hauptgetränk, ja zum einzigen.
Was dabei also herauskam, war eine überwiegend roh-köstlich vegane Ernährung mit Wasser als
fast ausschließlichem Getränk geworden. Die Umstellung mag manchem als gewaltig erscheinen. Auch mir selbst hätte ich noch zwei Tage vor dem Beginn des veganen Abenteuers nicht vorstellen können, einmal ganz auf Milch, Butter, Quark, Käse, Sahne und Eier zu verzichten – samt aller Produkte, die davon etwas enthalten. Auch Wasser mit seinem neutralen Geschmack erschien mir als zweite Grundnahrung kaum vorstellbar.
Im Nachhinein stellt sich mir all das nur als ein winziger Schritt dar, der allerdings genau in die richtige Richtung führte: Ich fühle mich seitdem freier, wacher, bewegungsfreudiger, tatkräftiger, offener und leistungsfähiger. So sieht eben ein erfolgreicher Schritt heraus aus alten Suchtmustern aus.
Mit einem Schlag entfiel alles mit Zucker Gesüßte. Auf einmal war alles Geröstete, Gebratene und Geräucherte aus meinem Leben verschwunden. Salz ist auf ein Minimum (Brot) reduziert. Schokolade und Kaffee gibt es auch nicht mehr. Es überraschte mich selbst, wie wenig ich all das wirklich brauche – nämlich gar nicht. Alles nur schöne und liebgewonnene Gewohnheit, aber nicht mehr. Weiterhin gab es nun keine Getränkekisten und kein Leergut mehr – jede Menge Schlepperei entfiel endgültig. Auch der Herd in der Küche wurde still gelegt, natürlich auch der Backofen.
Seitdem weiß ich, wie alle Salate, Gemüse und Wurzeln roh schmecken – viele von ihnen deutlich besser als in gegarter Form.
Insgesamt geht das Einkaufen rascher, ist die Zubereitung von Speisen wesentlich weniger aufwändig und schon gar nicht mehr energiereich und der Gang entlang von allen 'reizenden' Ladenregalen einschließlich Tiefkühlschrank entfällt praktisch auch vollständig. All das benötige ich einfach nicht mehr.
Vegan leben ist schlicht unkompliziert, bereichernd, Arbeit sparend und nebenbei noch gesünder, weil ja nicht mehr so viele Vitamine und Spurenelemente durch Erhitzen zerstört werden wie gewöhnlich. Der Verdauungsapparat bekommt etwas zu verarbeiten, das seiner evolutionären Ausstattung eher entgegenkommt als die heute allgemein übliche Mischkost oder Allesesserkost.
Mit nur einem einzigen Schritt werde ich nun gleich eine ganze Palette von Lebensmittelsüchten los.
Es bleibt noch beim Brot als gegartem Essen, aber ansonsten ist alles roh und naturbelassen – wenn auch nicht natürlich, weil nicht wild gewachsen.
Zum ersten Mal seit langer Zeit fühle ich mich mal wieder aufrecht stehen und unbeschwert gehen:
Der Philosoph Kurt Bayertz sagt über den aufrechten Gang: Wir sind nicht mit einer Garantie auf Anständigkeit geboren. Manchmal scheitern wir, dann müssen wir wieder aufstehen und den Rücken aufrichten.
So in etwa komme ich mir in der letzten Zeit vor und das mit bald 63 Jahren Alter. Hat das lange gedauert! Bin schon gespannt, was als Nächstes folgen wird.

Eines habe ich schon heute in Planung:
Ich bin überzeugt davon, dass sich die Essenmenge im Sinne meiner Urprogramme noch deutlich reduzieren lässt - besonders dann, wenn ich viel wirklich natürlich Gewachsenes zu mir nehme wie Kräuter, Wurzeln, Früchte, Nüsse - auch in Rohkostqualität getrocknet, aber besser doch ganz frisch.
Dieser Versuch ist für diesen Sommer in Form einer einwöchigen Hochgebirgswanderung vorgesehen.
Meine persönliche Erwartung: Meine aktuelle Brennstoffzufuhr von durchschnittlich 1.800 Kalorien wird sich ohne weiteres, trotz starker körperlicher Belastung auf 600 bis 800 Kalorien senken lassen. Da mir Wasser und frische Kräuter dort zur Verfügung stehen, brauche ich mir nur Nüsse und Trockenfrüchte mitzunehmen. Für eine einwöchige Tour sind das nur ein Kilogramm Gewicht, das ich problemlos im Gepäck mit mir tragen kann. Unterwegs einkaufen will ich dabei nicht.

Welche Selbsterfahrungen werde ich dann wohl machen?

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(munteres Hochwasser nach Regenfällen im Hochgebirge)

Was mir früher einmal großartig vorkam, erscheint mir heute eher schwach oder gar peinlich, jedenfalls nicht mehr passend für mich. Mein 'Geschmack' – weit mehr als nur der orale Geschmackssinn – hat sich stark gewandelt.
Das ist Leben, das ist Entwicklung – schön, dass es dabei mit Schwung vorwärts geht!

Ich bin heute so stabil, dass ich es mir auf besonderen Familienfesten ohne weiteres leisten kann, auch einmal Ausnahmen von vegan bzw. roh zu machen, falls es meine(n) Gastgeber(in) sonst frustrieren oder verletzen würde. Im Konflikt zwischen Prinzipientreue und dem unkomplizierten geselligen Miteinander kann das Abweichen auch einmal vorrangig sein - die Regel soll dies allerdings nicht werden. Deswegen falle ich bestimmt nicht mehr in alte Muster zurück. Sie passen einfach nicht mehr zu mir.

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(beim Deichlauf an der ostfriesischen Nordseeküste Februar 2014 bei Dauerfrost und Wind)

Stattdessen habe ich für mich das Laufen neu entdeckt, das ich vor über 20 Jahren wegen dauernder Fußgelenksschmerzen aufgegeben hatte. Ein Deichlauf über 6 Kilometer in einer knappen Stunde auf unebener, hart gefrorener Grasnarbe bei Frost und Wind war eine beglückende Selbsterfahrung ohne Reue. Seitdem mache ich, wieder zu Hause in der Großstadt, immer wieder kürzere Joggingläufe. Geht doch, das fühlt sich heute gut an.

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