22. Dr. Kurt Regenwurm spricht zu den Menschen: Wir und ihr oder nur wir – ihr habt die Wahl!

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22. Dr. Kurt Regenwurm spricht zu den Menschen: Wir und ihr oder nur wir – ihr habt die Wahl!
Gestatten, mein Name ist Dr. Kurt Regenwurm. Regenwurm alleine würde eigentlich genügen, doch ihr Menschen hört ja besonders gerne auf Titel und auf einen speziellen Rufnamen. Wer so etwas trägt, dem hört man eher zu als anderen. Nur zu diesem Zweck habe ich mir dies für ein paar Minuten lang zugelegt.

Damit meine Ansprache zu euch Menschen gelangen konnte, benötigte ich jemanden, der in seinem Garten viele Regenwürmer hat und sie auch nicht bekämpft, was bei euch Menschen keinesfalls die Regel ist.

Der Mensch, den ihr auf Utopia als 'opa-bike' kennt, ist einer von ihnen. Er hat sich zum Mittagsschlaf auf meine Erde gelegt (er würde sagen: auf seinen Rasen); so konnte ich ihm meine Ansprache ins Ohr flüstern und ihn bitten, sie an möglichst viele andere Menschen weiterzusagen.

Immerhin habe ich die Ehre bekommen, 1991 auf den (leider sehr abgelegenen) Färöer-Inseln Landessprache: Føroyar = 'Schaf-Inseln') ein Briefmarkenportrait zu erhalten.

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(Regenwurm an der Erdoberfläche - cc Dodo-Bird, Quelle Wikimedia)


10. 8. 2014



Liebe Menschen!
Die meisten von euch finden meine Art eher ekelig, weil wir außen eine feuchte, glatte und kühle Haut besitzen. Das ist für das Leben in der Erde ausgesprochen praktisch; so kommen wir im Erdreich besser voran.
Doch das ist nicht der Grund, warum ich mich an euch wende. Es ist noch nicht lange her, da gab es von uns noch weitaus mehr als heute. Aber die Erdflächen, in denen wir gut leben können, nehmen immer mehr ab. Es gibt ständig immer weniger davon. Für den einzelnen von uns ist das kein Problem, denn wir passen uns mit unserer Zahl immer dem für uns vorhandenen Erdreich an, das ihr Menschen 'Mutterboden' nennt.
Muttererde ist eine nur 5 bis meist 20 Zentimeter dünne Schicht, die man auch als lebendige Haut unseres und eures Planeten Erde bezeichnen könnte. Bis noch vor gut 150 Jahren (um mich euch verständlich zu machen, muss ich ja eure Maße und Zahlen verwenden) hatten es die Regenwürmer noch leichter auf dieser Welt. Sie waren anerkannt als Lebewesen, denen die Menschen fruchtbaren Boden und gute Ernten für ihre Ernährung zu verdanken haben.
Doch das hat sich gründlich gewandelt: Dann habe ihr landwirtschaftliche Maschinen gebaut, die unseren Job übernehmen sollten. Sie wurden immer größer und größer; sie drehen die Erde heute gut einen halben Meter tief von unten nach oben. Sie streuen beißenden Kunstdünger oder gießen stinkende Gülle auf die Erde. Auch haben sie eine Schwäche für giftige Flüssigkeiten, die Tieren und Pflanzen den Garaus bereiten, wofür auch immer das gut sein soll. Nur genau eine Sorte von Pflanze hat für ein paar Monate auf einer von euch genutzten Fläche zu wachsen und sonst gar nichts. Doch kurz vor der Ernte werden selbst noch viele von denen mit einem Gift abgetötet, damit es mit der Ernte und mit dem Verkauf rascher geht.
Warum ich euch das sage, obwohl die meisten von euch das doch bestimmt schon oft gehört haben? Wir Regenwürmer verlieren nach und nach dadurch immer mehr Lebensraum. Das geschieht auch in euren Gärten, wo auch Kunstdünger und Gifte als Normalfall zur Anwendung kommen. Es soll für euch 'praktisch' und 'ungefährlich' sein, so sagt man euch in der Werbung, die euch zum Kauf solcher Dinge animieren soll.

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( Regenwurmausscheidungen an der Erdoberfläche - Skizze von Charles Darwin 1881, Quelle Wikimedia)

Wie schon gesagt: Bis vor 150 Jahren galten wir als die besten Spezialisten für fruchtbaren und gesunden Boden. Niemand hat für uns Werbung gemacht; unsere Arbeit sprach für sich selbst und wir lebten mit euch Menschen in einem guten Auskommen. Jetzt werden wir immer weniger – nicht ganz so krass wie bei den Bienen, um deren Art ihr euch gerade noch viel mehr Sorgen machen müsst – wir passen uns einfach den sich ändernden Bedingungen an. Für uns ist das gar kein Problem.
Doch wie ich es sehe, beginnt es zunehmend eines für euch zu werden – nur habt ihr das noch nicht so richtig begriffen: Euer Erdöl und euer Erdgas, von dem ihr massenhaft für euren Kunstdünger und für eure Landmaschinen benötigt, wird immer weniger. Was macht ihr, wenn euch das immer schneller immer mehr kosten wird?
Es gibt uns noch. Wir sind Spezialisten für den Job, von dem euch Lobbyisten und Geldverleiher haben glauben machen, dass Kunstdünger und Landmaschinen ihn besser beherrschen würden als wir Winzlinge. Zugegeben: Deren Größe erreichen wir nicht annähernd; dafür leben in einem Hektar gesundem Boden mindestens 100.000 Stück von uns – mit einem auch nicht zu verachtenden Gesamtgewicht zwischen 500 und 1.000 Kilogramm. Wir arbeiten halt nicht mit gewaltiger Masse an einem einzigen Fleck wie eure Maschinen, sondern verteilt auf ganz viele kleine Regenwurmbäuche.
Wir arbeiten je nach Hunger, und den haben wir so gut wie immer, Tag und Nacht. Wir benötigen keinen Anstellungsvertrag, verlangen keinen Arbeitslohn und benötigen keinen Urlaub. Ihr braucht uns einfach nur machen zu lassen.
Verätzt einfach nur nicht unsere empfindlichen Schleimhäute mit Kunstdünger und Gülle; fahrt uns auch nicht die Erde mit euren Riesenmaschinen hart, so dass wir sie mit unseren geringen Kräften gar nicht mehr 'durchfuttern' können. Auch das mit den Giften spart euch, denn sie setzen uns sehr zu, so dass wir krank werden und unsere Arbeitskraft leidet, wir uns nicht mehr fortpflanzen können und auf diese Weise unseren Job auch nicht mehr tun können.

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(abgestorbene Blätter, teilweise von Regenwürmern in die Erde gezogen - cc Buteo, Quelle Wikimedia)

Zu der Arbeitsleistung meiner Art: Wir verspeisen kurzerhand den uns vor die Mundöffnung kommende Erde und lassen sie langsam durch unseren Körper wandern, währenddessen wir dabei alles das für uns daraus gewinnen, was wir zum Leben benötigen. Auf diese Weise verdienen wir als selbstständige Unternehmer in Sachen eigener Ernährung unseren Lebensunterhalt. Als Nutzen für die Erde, alles was in ihr lebt und wächst, hinterlassen wir nach dem Durchlaufen der Erde durch unseren Körper eine ausgeschiedene, aufgelockerte, fruchtbare Lebensgrundlage für alles andere, was die Erde ebenfalls benötigt. Ihr Menschen gehört ja auch zu denen, auch wenn ihr das vergessen zu haben scheint.
Wer es genauer wissen will: Wir schaffen sogar abgestorbenes Pflanzen- und Tiermaterial mühevoll unter die Erdoberfläche, um es dort für uns als Leckerbissen verrotten zu lassen. Wir decken damit Kleinstlebewesen und Pilzen den Tisch; dafür verspeisen wir sie dann halt gleich mal mit, wenn wir uns unseren Teil holen kommen.
Weiterhin zu unserer Arbeitsleistung: Im Laufe eines Jahres verspeisen wir etwa das 70-fache unseres Körpergewichts an Erde. Etwa 2000 Stück von uns schaffen auf diese Weise einen ganzen Kubikmeter pro Jahr. Die 100.000 Regenwürmer, die einen Hektar Mutterboden besiedeln, benötigen, um ihn einmal vollständig gefressen und wieder ausgeschieden zu haben, etwa 2 Jahre, um diese Fläche vollständig aufgelockert und aufgewertet zu haben. Unsere Arbeit verhindert zudem, dass fruchtbarer Boden fortgeweht wird, was bei eurem 'modernen' maschinellen Ackerbau in so hohem Maße der Fall ist, dass mehr Muttererde verloren geht, als durch Bodenlebewesen neu geschaffen werden kann. Nicht zuletzt: Eure Maschinen, euer Kunstdünger, eure Gülle und eure Gifte können kein einziges Gramm neuen Mutterboden erschaffen!
Wir Regenwürmer und viele noch kleinere Bodentiere waren lange da, bevor ihr Menschen da ward. Ohne uns gäbe es keine Pflanzen und auch nicht die Tiere, die ihr so kennt, soweit sie nicht im Wasser leben – mithin auch euch nicht. Wenn ihr das bedenkt: Könnt ihr es euch unter diesem Gesichtspunkt weiterhin noch leisten, dass wir uns zunehmend ins Nichts zurückziehen, weil unser Lebensraum durch euer Wirken immer mehr verschwindet?
Ich bitte euch, meine Worte wohl in eurem Herzen und in dem, was ihr Verstand nennt, abzuwägen. Für uns ist es kein Problem, so lange von der Bildfläche unterhalb eurer Erdoberfläche für so lange zu verschwinden, bis ihr euch selbst eurer eigenen Lebensgrundlage beraubt habt. Danach wären wir rasch wieder tätig – ihr jedoch verschwunden.
Ich biete euch darum in eurem eigenen Interesse eine gute Zusammenarbeit an: Wir arbeiten wie seit Urzeiten die dünne Wachstumsschicht eures Erdbodens durch und leben dabei prächtig – vorausgesetzt ihr lasst das zu – dann könnt ihr euch über gesunde, fruchtbare Erde für eurer Essen und eure Blumengärten freuen und sie dafür nutzen. Ist doch ein ganz guter Deal, oder?

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(Auch wir kennen das Liebesspiel! Regenwürmer bei der Kopulation - cc Beentree, Quelle Wikimedia)

Wer es noch etwas 'wissenschaftlicher' haben möchte - denn das ist bei euch Menschen zurzeit ja so eine Art von Heiligtum, wenn es um Glaubwürdigkeit geht:
Vor dem Beginn jeden Lebens steht der Abbau des vorangegangenen Lebens. Genau dies ist unser Job und der noch sehr viel kleinerer anderer Mit-Lebewesen. Wir bauen Abgestorbenes ab, bis ein Material entsteht, das Pflanzen (und Tiere) als neue Lebensgrundlage verwenden können.
Wir schließen damit einen Kreislauf, wie das eure Ökologen nennen. In der Natur funktioniert eigentlich alles in Kreisläufen. Das ist schon so, noch bevor es uns Regenwürmer überhaupt gab. Wenn die Naturkreisläufe an irgendeiner Stelle unterbrochen werden, dann entsteht immer Chaos - ihr Menschen produziert davon eine ganze Menge.
So kennt die Natur keinen Müll oder Abfall: Immer gibt es Lebewesen, die für Absterbendes oder Abgestorbenes beste Verwendung haben. Sie bauen die Organismen so zurück, dass aus dem Material wieder neues Leben entstehen kann.

Was kannst du selbst tun?
1. Besorge dir dein Essen von Betrieben, die nicht mit Kunstdünger, Gülle und Pflanzengiften arbeiten - auch nicht mit Riesenmaschinen. Ob dann ein Bio-Zertifikat draufsteht oder nicht, ist dann gar nicht so wichtig.
2. Deine Wege dorthin lege mit eigener Körperkraft zurück, sonst wirst du selbst zum Müllproduzenten, durch das von dir benutzte 'Kraftfahrzeug' mit seinen massenhaften Emissionen.
3. Was du von dort mitnimmst, sollte nicht mehr als die natürliche Außenhaut als 'Verpackung' haben. Jede andere bedeutet wieder Abfall und Chaos wie die 'Ausscheidungen' deines 'Automobils'.
4. Im eigenen Garten, auf dem eigenen Balkon und bei deinen Zimmerpflanzen verzichte ebenfalls auf Kunstdünger und Pflanzengifte. Für fast jedes Lebewesen, das ihr 'Schädling' nennt, gibt es ein natürliches Gegengewicht - bei euch dann gerne unter der Bezeichnung 'Nützling' geführt.

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